Logbucheintrag #4 – Wenn das Deck bebt
- Thalia
- 8. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Datum: Sommertag auf Kurs zur Resilienz — ruhiger Morgenhafen, angekündigter Abendwind.
Position: Heimathafen, Borddeck. Sammy schnarcht, ich döse vor mich hin.
Wetter: Sonnig mit vereinzelten Aufwühlwinden.
Heute Morgen hat das Deck mal wieder gebebt und zwar nicht wegen Sturm oder Seegang, sondern wegen Sammy. Sammy ist eine meiner liebsten Matrosen: Grossartig zum gemeinsam schnüffeln, lustig wie ein Partyclown und mit Pfötchen, die aussehen, als wären sie in schwarzen Samt getaucht. Aber wehe, sie freut sich. Dann verwandelt sie sich in einen Flummiball mit Turbolader.
Heute beim Proviant hat sie das wieder eindrucksvoll bewiesen: Ein Sprung hier, ein Hüpfer da – platsch! Wasserschale gekippt, Bordküche geflutet. Nicht optimal aber auch nicht schlimm. Kann jedem passieren wenn der Proviant das Highlight des Tages ist.
Und da dachte ich: Perfekt, um mal ein paar Zeilen ins Logbuch zu kritzeln – über zwei Themen, die uns helfen, wenn an Bord die Wellen höher schlagen: Impulskontrolle und Frustrationstoleranz.

Unsere Sicht auf Impulskontrolle und Frustrationstoleranz
Bevor ich loslege, eins vorweg: Es gibt viele Meinungen dazu, und das ist völlig in Ordnung. Jeder Hund, jeder Mensch, jede Crew hat ihre eigene Route. Wir lernen jeden Tag dazu, mit jedem Hund und jedem Menschen. Überheblich wäre zu glauben, nur die eigene Sicht sei die einzig wahre.
So sehen wir’s an Bord:
Impulskontrolle heisst: abwarten können, bis man bekommt, was man möchte. Beispiel aus meinem Leben: Wir sehen jemanden, den ich sehr mag. Ich bleibe brav neben Viola, atme tief durch, warte ruhig und dann darf ich freudig Hallo sagen. Wer wartet, darf auch mal feiern.
Frustrationstoleranz heisst: akzeptieren können, dass es heute gar nicht passiert. Beispiel aus unserem Leben: Dieselbe Begegnung – aber diesmal darf mich die Person weder begrüssen noch beachten. Ich sitze neben Viola, atme tief durch, und wenn ich mich damit abgefunden habe, dass die Begrüssung heute ausfällt, gehen wir einfach weiter. Kein grosses Lob. Denn es soll für mich normal werden, dass ich manchmal eben nicht kriege, was ich will.
Man fängt reizarm an und steigert sich stetig. Kleinschrittig und in vielen Sitzungen. Und vor allem üben wir regelmässig. Es gibt aber auch Situationen wo mir klar und deutlich gezeigt wird, dass ich das nun nicht darf. bspw. meinen Lieblingsmenschen stürmisch anspringen wenn ich abgewartet habe. Das gehört sich wohl nicht, wurde mir gesagt. Dabei sind die Pfotenabdrücke auf dem weissen Pullover doch wunderschön!
Warum das so wichtig ist
Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sind wertvoll, aber wir üben es unterschiedlich. Frustrationstoleranz ist wie lernen, bei Gegenwind den Kurs zu halten – man bekommt in dem Moment keinen Preis, aber man bleibt stabil. Impulskontrolle ist eher wie ein Segelmanöver bei Flaute. Man wartet, bis der Wind passt, und darf dann mit voller Fahrt los. Ich bin mir aber sicher, dass wenn du bei einem kompetenten Hundetrainer lernen darfst, diese zwei Dinge ganz genau erklärt bekommst und sie dir helfen dein eigenes Logbuch zu schreiben.
Was wir NICHT machen
In meinem Logbuch verraten wir dir keine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Warum? Weil jedes Schiff anders gebaut ist. Jeder Hund hat eigene Bedürfnisse, jeder Mensch andere Gewohnheiten, jede Umgebung ihre eigenen Strömungen. Trainingstipps einfach aus dem Internet zu kopieren, ist wie mit einer Seekarte durchs Gebirge zu laufen – kann klappen, du kannst dich aber auch so verlaufen, dass der Rückweg dreimal so lang uns steinig ist.
Das Ziel ist nicht, uns Hunde „ruhigzustellen“, damit wir in euer Weltbild passen, sondern dass ihr Menschen mit uns Hunden ein gemeinsames Logbuch im Kopf entwickelt: eine innere Karte, wann, wie und womit man eurem Hund helfen kann, entspannter durch Situationen zu segeln.
Sammy schläft jetzt tief und fest – wahrscheinlich träumt sie von Wasserfontänen und fliegenden Keksen. Ich döse auch ein bisschen, aber meine Ohren sind auf Empfang, falls doch ein Piratenschiff Kurs auf uns nimmt. Das Meer ist gerade ruhig – aber wir wissen beide: Die nächste Welle kommt bestimmt.
Und wenn sie kommt, halten wir den Kurs. Auf unsere Weise.
Deine Kapitänin Thalia 🐾⚓
Kommentare